Von der Geschichte in die Aktualität

Marzahn-Hellersdorf. Der Heimatverein legte seinen neuesten Band zur Bezirksgeschichte vor. Dieser beschäftigt sich mit der wechselvollen Entwicklung der Besiedlung der Region seit der Frühgeschichte.

Dennoch ist die Broschüre mit dem Titel „Besiedlung. Bevölkerung. Migration“ aktuell wie kaum ein Band des Heimatvereins zuvor. Er schildert anhand von rund 10000 Jahren Besiedlungsgeschichte, dass auch Marzahn-Hellersdorf in seiner heutigen Form und Bevölkerung das Ergebnis einer niemals endenden Zuwanderung ist.

Die in Band 23 zur Regionalgeschichte veröffentlichen Beiträge entstanden zum Tag der Regional- und Heimatgeschichte, der im vergangenen Jahr am 10. Oktober stattfand. Dort wurden sie in Form von Vorträgen erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt. Zu dem Zeitpunkt war noch nicht vollständig abzusehen, welche politische Brisanz das Thema Migration im Zeichen der Flüchtlingskrise gewinnen würde.

Immerhin erfährt auch diese vor dem langen Atem der Geschichte eine Relativierung. Auch die ersten Germanen im heutigen Gebiet es Bezirks waren Zuwanderer, dann folgten Slawen und diese wurden von den Deutschen verdrängt.

Ein Lehrstück für die Widersprüche von Migration ist die Darstellung von Christa Hübner der Zuwanderung von Pfälzern nach Marzahn. Diese waren von Friedrich II. in das vom Siebenjährigen Krieg teilweise entvölkerte Brandenburg gelockt worden. Auch für diese Migranten war der Anfang schwer, sodass mancher wieder wegzog. Lange blieb eine Kluft zwischen den Zuwanderern und den damaligen Alt-Marzahnern. Die einen gehörten der reformierten und die anderen der lutherischen Kirche an. Sie bildeten lange jeweils eine eigene Gemeinde.

Den größten Bevölkerungszuwachs erfuhr die Region mit dem Bau der Großsiedlungen Marzahn und Hellersdorf. Viele Zuwanderer stammten ursprünglich aus Sachsen oder von der Ostseeküste.

Nach dem Ende der DDR gewann die Zuwanderung eine andere Qualität. Die Vietnamesen blieben und die Russlanddeutschen kamen hinzu. Im Zusammenhang mit den Jugoslawienkriegen nahm die Region in den 90er Jahren erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg wieder Kriegsflüchtlinge auf. Diese wohnten zunächst in Flüchtlingsheimen, viele blieben und bezogen Wohnungen, andere gingen wieder in ihre Heimatländer. Der Band endet mit der Organisation von Hilfstransporten in die Kriegsgebiete und den Bemühungen von Politik, Vereinen und Initiativen um ein friedliches Miteinander von ansässiger Bevölkerung und Hinzugekommenen. Ganz am Ende gleitet Heimatgeschichte in die Zeitgeschichte und diese in die Gegenwart über.

Der Band „Besiedlung. Bevölkerung. Migration“ umfasst 200 Seiten und ist umfangreich illustriert. Er kostet sieben Euro und ist in örtlichen Buchhandlungen, im Bezirksmuseum und beim Heimatverein erhältlich. Kontakt zum Heimatverein über Ursula Schuricht unter Tel.: 51 70 07 17.

Ein Foto aus der Mitte der 80er Jahre in der Lion-Feuchtwanger-Straße schmückt den Einband des Buches. Es symbolisiert, wie die Bevölkerung in der Region mit dem Bau der Großsiedlungen wuchs. Foto: Bezirksmuseum

Harald Ritter

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