Feierstunde für Dr. Günter Peters (1928-2013)

Am 11. August 2018 wäre Dr. Günter Peters 90 Jahre alt geworden. Anlass für das Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf, den Heimatverein Marzahn-Hellersdorf e.V. und den Verein „Stiftung Ost-West Begegnungsstätte Schloss Biesdorf“ e.V. zu einer Feierstunde einzuladen. Das Wirken von Dr. Peters war in den letzten Jahrzehnten eng verbunden mit dem Bezirksamt und den beiden Vereinen.

Im Schloss Biesdorf begrüßten Juliane Witt, Bezirksstadträtin, und Karin Scheel, Leiterin der Galerie Schloss Biesdorf, die Ehefrau und weitere Familienangehörige sowie Weggefährten von Dr. Peters sowie die Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, Katrin Lompscher.

Die Festredner würdigten das Leben und Wirken von Dr. Günter Peters. Er wurde am 11. August 1928 als Sohn eines Bauarbeiters und einer Arbeiterin in Waren an der Müritz geboren.Er erlernte das Maurerhandwerk und studierte an der Ingenieurschule Wismar. Von 1952 bis 1960 war Günter Peters Baudirektor des Bezirks Rostock. Danach war er als Generaldirektor des Industrie- und Spezialbaus Berlin tätig. Als Stadtbaudirektor von Ost-Berlin zwischen 1966 und 1980 hat Dr. Peters maßgeblich an der Gestaltung der Hauptstadt der DDR mitgewirkt. Dazu gehörten die Sanierung und der Neubau markanter Bauwerke im Stadtzentrum und die Errichtung der Großsiedlungen.  Von 1975 bis 1980 war er gleichzeitig Stellvertreter des Oberbürgermeisters für Investionen und Bauwesen. Nach seiner krankheitsbedingten Verrentung war er als Bauhistoriker und Publizist tätig. Dr. Günter Peters war Mitgründer und Vorsitzender des Heimatvereins Marzahn-Hellersdorf e.V. und des Vereins „Stiftung Ost-West Begegnungsstätte Schloss Biesdorf e.V.“. Im großen Maße engagierte er sich u.a. für die Rekonstruktion der alten Marzahner Dorfschule und ihrer Umgestaltung zum heutigen Bezirksmuseum und ab dem Jahr 2000 für die Erhaltung und die Sanierung des Biesdorfer Schlosses. Den Vortrag „Dr. Peters – Erbauer von Marzahn“ des Vorsitzenden des Heimatvereins Marzahn-Hellersdorf e.V., Wolfgang Brauer,  verlas dessen Stellvertreterin Dr. Christa Hübner. Der Vorsitzende der Stiftung Ost-West Begegnungsstätte Schloss Biesdorf e.V., Dr. Heinrich Niemann,  referierte zum Thema „Dr. Peters – Retter von Schloss Biesdorf“. . In Anerkennung der Leistung von Dr. Peters für den Bezirk überbrachte die Bürgermeisterin Dagmar Pohle die Dankesworte des Bezirksamtes.

Ein bewegender Moment für Familie und Weggefährten war die Einweihung einer Büste von Dr. Günter Peters. Schöpfer der Porträtbüste ist der Künstler Michael Klein, Mitglied des Heimatvereins Marzahn-Hellersdorf e.V..

Im Musiksaal des Schlosses wurde die Feierstunde mit einem Empfang beendet. Dr. Oleg Peters bedankte sich im Namen der Familie für die Ehrung von Dr. Günter Peters.

Text und Fotos: Andreas Rinner, Vorstandsmitglied

 

Rede zur Festveranstaltung anlässlich des 90. Geburtstages von Dr. Günter Peters am 11. August 2018 im Schloss Biesdorf

Einer vom Bau. Nachdenken über Günter Peters von Wolfgang Brauer

Sehr geehrte Frau Bezirksbürgermeisterin Dagmar Pohle,

sehr geehrte Frau Bezirksstadträtin Juliane Witt, liebe Christel Peters, liebe Familie Peters sehr verehrter Michael Klein,

sehr geehrte Damen und Herren!

Jedesmal, wenn ich vor der angenehmen Pflicht stand, über meinen Vorgänger im Amte Dr. Günter Peters sprechen zu dürfen, bereitete mir als eigentlich abgebrühtem Vielredner die Vorbereitung auf die Rede erhebliche Schwierigkeiten.

Günters Lebenswerk ist einfach zu umfänglich, um es in wenigen Minuten auch nur im Ansatz würdigen zu können.

Seine Persönlichkeit war eine äußerst vielschichtige – liebenswert und mit diversen Ecken und Kanten.

Er selbst, ein äußerst rational denkender und handelnder Mensch, ist inzwischen einigermaßen mythenumwoben. Und nichts ist schwieriger, als ein Mythengeflecht zu durchreißen, um auf die wirkliche Lebensleistung eines Menschen aufmerksam zu machen. Sie kennen alle das unausrottbare Gerede von der Marzahner Gummistiefelzeit. Ich zog zu Beginn der 1980er Jahre nach Marzahn. Es ging auch ohne Gummistiefel. Die Straßen waren betoniert. Ein Querfeldein über den Baustellenmodder wäre auch mit Gummistiefeln problematisch gewesen: Die gute Lehmpampe des Barnim hätte die einem glatt ausgezogen...

Aber Mythen sind zäh wie unser Lehm.

Und der Rolle einer einzelnen Persönlichkeit bei der Errichtung eines hochkomplexen Gebildes, wie es die de-facto-Großstadt Marzahn ist, auf die Spur zu kommen, ist sowieso immer hochproblematisch.

Mein Freund, der Astronom und Wissenschaftshistoriker Prof. Dr. Dieter B. Herrmann, erzählt gerne eine Anekdote aus der Frühzeit der sowjetischen Raumfahrt. Da die mir zum heutigen Thema zu passen scheint, will ich sie ihnen nicht vorenthalten: Zu Beginn der 1960er Jahre wollte das schwedische Nobelpreiskomitee den Konstrukteur der sowjetischen Trägerraketen mit dem Nobelpreis für Physik auszeichnen. Immerhin war es dem gelungen, der Gravitation ein Schnippchen zu schlagen. Da der Name Sergej Koroljow seinerzeit noch top-secret gehalten wurde, mussten die Schweden sich an Nikita Chrustschow wenden. Dessen Antwort war knapp: Erfinder der sowjetischen Raketen sei das Volk der Sowjetunion. Wenn man denn unbedingt wen auszeichnen wolle, dann gebühre der Nobelpreis dem Volk der UdSSR.

Ich weiß nicht, ob diese Geschichte stimmt. Wenn nicht, dann ist sie gut erfunden und bildet die Realität des realen Sozialismus im Umgang mit Einzelpersönlichkeiten trefflich ab. Das Kollektiv war alles, der Einzelne wenig – letztendlich ignorierte man eine sehr grundsätzliche, nicht nur marxistische Erkenntnis: Die Qualität eines Kollektives ist immer abhängig von der Qualität seiner einzelnen Mitglieder – und last but not least von der Befähigung wiederum eines oder einer Einzelnen, ebendiese Fähigkeiten der Vielen zugunsten einer gänzlich neuen Qualität zum Tragen zu bringen. Man darf das getrost als conditio sine qua non, als Bedingung ohne die nichts, jedenfalls nichts richtig geht bezeichnen. Günter Peters beherrschte diese Tugend in geradezu herausragendem Maße.

Mit dem heute eher vorherrschenden „Peter-Prinzip“ – ein kleines aber feines „s“ macht den Unterschied! – der Hierarchisierung der Unfähigen wäre es niemals zur bemannten Raumfahrt gekommen. Am 26. August jährt sich übrigens der Flug Sigmund Jähns zum 40. Male. Ich glaube der Namenspate der berühmtesten Straße unseres Bezirkes würde sich über einen kleinen Glückwunsch aus Marzahn-Hellersdorf sehr freuen. Nach diesem Prinzip wäre auch Marzahn niemals gebaut worden – jedenfalls nicht in seinen heutigen Dimensionen, nicht in der vergleichsweise geringen Zeit und erst recht nicht mit der sicherlich mit einigen Abstrichen zu registrierenden nachhaltigen stadtentwicklerischen und baulichen Qualität, die einigen Ignoranten äußerst schwer im Magen lag (und liegt). Dass mit der Planung und dem Bau Marzahns ein städtebaulicher Paradigmenwechsel in der DDR vollzogen wurde, der eben nicht nur auf neuen Wohnraum auf Teufel komm raus aus war, macht sich auf treffliche Weise im Vergleich zum Beispiel mit Hoyerswerda oder Halle-Neustadt deutlich. Dem Team um und unter Günter Peters ging es auch um die Schaffung von Heimat, um einen Ort des Wohnens und Arbeitens, mit dem auch Identifikation möglich war, der sich organisch an den vorhandenen Stadtorganismus anschließt und im Neuen durchaus Kontinuität wahrt. Es ist daher kein Zufall, dass die Beschäftigung mit den historischen Stadtplanungen für den Berliner Osten seit Kaisers Zeiten zu den Lieblingsbeschäftigungen von Günter Peters gehörte. Die planerischen Kontinuitäten über gut 100 Jahre hinweg, die er aufzeigte, verblüffen noch immer.

Der erwähnte Paradigmenwechsel war nicht nur für die DDR etwas Neues. Man schaue nur auf die städtebaulichen Fehlentwicklungen der Pariser Banlieue oder etwas kleindimensionierter auf Bremen-Tenever. Aber wer das begreifen will muss auch hinsehen wollen und die ideologischen Scheuklappen ablegen. Ich erinnere mich noch sehr gut an einen ansonsten durchaus progressiv denkenden Nachwende-Bausenator, der angesichts der Marzahner Hochhäuser heftige Abrissvisionen hatte und von Birkenwäldchen träumte. Mit seinen Abrissvisionen scheiterte er. Einigen Schaden richtete er dennoch an. Es mutet schon wie ein Treppenwitz der Stadtgeschichte an, dass ausgerechnet dort, wo in Marzahn das erste Hochhaus fallen musste, derzeit wieder mehrgeschossiger Neubau mit einer erheblichen Verdichtung stattfindet. Peters hatte sich seinerzeit gegen den Abriss gestemmt. Als der nicht mehr zu verhindern war, machte Günter Peters aus der Not eine Tugend. In der Nähe der stadtumbaulichen Schandtat initiierte er den Heinz-Graffunder-Park zur Erinnerung an einen der Planer unseres Bezirkes und den Chefarchitekten des Palastes der Republik, um dessen Erhalt zur selben Zeit die letzten Kämpfe ausgefochten wurden. Diese mit Beharrlichkeit gepaarte Listigkeit, verbunden mit einer Portion Schalk im Genick, war eine der originären Charaktereigenschaften von Günter. Wer ihn zur Tür herauswarf musste damit rechnen, dass er wenige Minuten später eine offene Hintertür gefunden hatte und mit neuen Verbündeten verschmitzt lächelnd im Salon saß.

Der erwähnte Bausenator hatte übrigens einen Senatsbaudirektor, der 2001 amerikanischen Architekten gegenüber bei der Besichtigung der Rathauspassagen davon schwadronierte, dass man diese Dinger eigentlich nur mit einem Bombenteppich belegen könne.

Warum ich das hier sage? Es geht um die Lebensleistung eines Einzelnen, eben die von Dr. Günter Peters, der sowohl die zitierten Rathauspassagen als auch die Planungen und ersten Bauabschnitte unseres Bezirkes politisch zu verantworten hatte. Günter war seit 1966 Stadtrat und Bezirksbaudirektor im Magistrat der Hauptstadt der DDR. Lediglich von Juli 1973 bis September 1975 hatte Herbert Stoll die Tätigkeit des Bezirksbaudirektors übernommen. Danach nahm Günter Peters diese Aufgaben wieder vollumfänglich wahr. Ab 1975 war er zudem Stellvertreter des Oberbürgermeisters für Investitionen und Bauwesen. Das alles bis Ende 1980, die Akten des Bezirksbauamtes im Landesarchiv sprechen von Anfang 1981 – jedenfalls musste Günter Peters aus gesundheitlichen Gründen die Notbremse ziehen und mit 52 Jahren in die Pensionierung gehen.

Unter seiner Leitung wurde das neue Antlitz der Hauptstadt der DDR förmlich aus dem Boden gestampft. Günter Peters verantwortete die Umgestaltung und Modernisierung des Berliner Stadtzentrums ab 1966 mit dem Alexanderplatz, dem Leninplatz, der Fertigstellung der Straße Unter den Linden (ich merke, Sie blicken erstaunt auf: Ja, die „Linden“ waren einmal fertig), das Areal rund um den Fernsehturm mit den erwähnten Rathauspassagen, der Karl-Liebknecht-Straße inclusive des Palast-Hotels, den Palast der Republik selbst; dazu die Großsiedlungen am Fennpfuhl, Hohenschönhausen, Marzahn, die Planungen für Hellersdorf und das Industriegebiet Lichtenberg-Nord-Ost.

Nur wenigen ist noch bekannt, dass er etwas einleitete, was heute als „behutsame Stadterneuerung“ bekannt ist. Unter seiner Leitung wurde begonnen, den stupiden Abriss der Mietskasernen rund um den Arkona-Platz zu stoppen. Nach einer vorsichtigen Entkernung konnten immerhin aus ca. 8.000 Wohnhöhlen zumeist mit dem Standard des Jahres 1900 in den Seitenflügeln und „Gartenhäusern“, wie man in Berlin verschämt die Hinterhäuser nannte, 6.000 Wohnungen mit guter Wohnqualität entstehen. Berlin hat Günter Peters und seiner aus profundem Fachwissen gespeisten Beharrlichkeit viel zu verdanken.

Im Vorfeld des 80. Geburtstages von Günter hatte ich – auch auf Bitten des Vorstandes unseres Heimatvereins – ihn für die Verleihung des Verdienstordens des Landes Berlin vorgeschlagen. Die Antwort der Senatskanzlei Klaus Wowereits war lapidar: Man wisse um die Verdienste des Vorgeschlagenen, könne dem Vorschlag aber aufgrund der erheblichen Systemnähe von Dr. Günter Peters nicht entsprechen. Stattdessen solle man doch für ihn das Bundesverdienstkreuz beantragen. Das wäre unproblematischer.

Sie merken, auch nach zehn Jahren bin ich über soviel Ignoranz immer noch einigermaßen erschüttert. Einmal abgesehen davon, dass die höchste Auszeichnung der Bundesrepublik Deutschland quasi als billige Massenware betrachtet wurde, wurde damit seitens unserer damaligen Landesregierung die Lebensleistung von Generationen stellvertretend in Gestalt der Person von Dr. Günter Peters mit dem berüchtigten „kw-Vermerk“ versehen. Diese Menschen machten aus der Trümmerlandschaft bei Potsdam, wie sich Bertolt Brecht einmal über das zerstörte Berlin äußerte, wieder eine lebens- und liebenswerte Stadt. Sie leisteten einen überhaupt nicht hoch genug zu schätzenden Beitrag zum Wiederaufstieg Berlins zu einer weltweit geachteten und geschätzten Metropole.

Wie kleinkariert müssen Menschen denken, die in solchen Zusammenhängen das Wort „systemnah“ benutzen. Semantisch gesehen ist diese Vokabel sowieso völliger Quatsch.

Dass wir heute an einem der liebsten Orte von Günter Peters – der ohne seinen unermüdlichen Einsatz wahrscheinlich auch irgendwann den „kw-Vermerk“ erhalten hätte –, dem Schloss Biesdorf, seine Portraitbüste einweihen können, betrachte ich als einen kleinen Akt der Genugtuung und Wiedergutmachung für ihn. Wir, der Heimatverein Marzahn-Hellersdorf, sind dem Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf und insbesondere der Bezirksbürgermeisterin Frau Dagmar Pohle zutiefst dankbar, dass sie die Realisierung der Arbeit unseres Vereinsmitgliedes Michael Klein auf eine bemerkenswert unbürokratische Weise ermöglicht haben. Aprospos Heimatverein. Dass unser Verein so aufgestellt ist, wie er heute ist, auch das haben wir Günter Peters zu verdanken. Er wusste, dass bereits der gestrige Tag unwiederbringliche Geschichte ist. Er wusste, dass die Geschichte unseres Bezirkes und die seiner Menschen etwas ganz Besonderes in Deutschland ist – und vieles in einer schnelllebigen Zeit, die angesichts ihrer neuen medialen Möglichkeiten gerne die Backen aufbläst, verloren geht, wenn man es nicht aufschreibt und bewahrt. Die so oft verteufelte Geschichte des industriellen Bauens zum Beispiel. Ende der 1960er Jahre lebten in der DDR-Hauptstadt 90.000 Menschen, die eine Wohnung suchten. Nach Expertenschätzungen werden bis 2030 in Berlin vorsichtig gerechnet 194.000 neue Wohnungen gebraucht werden.

Ohne dass man die Erfahrungen von Baumenschen wie Günter Peters und vielen anderen – die auch hier im Saal versammelt sind – nutzt, wird das Problem wohl nicht zu lösen sein.

Lieber Günter, wir verneigen uns voller Respekt vor Deinem Lebenswerk!